Wir wanderten, bis der Mond hoch überm Tal stand - Tag 16

Den wohl schönsten Ort der Erde verließen wir wahrlich nur mit schwerem Herzen, doch als wir jene Kirche sahen, die mit ihrem braunroten Turm sondergleich wundervoll wirkte, vergaßen wir unseren Abschiedsschmerz, denn wir wussten, bald würden wir eine wirklich schöne und wichtige Station des Olavsweges erreichen.
Zur Kirche liefen wir noch eine Stunde, obwohl sie aus der Ferne so nah gewirkt hatte. Einige Zeit vor unserer Ankunft trafen wir noch zwei andere deutsche Pilgerinnen, die schnell unterwegs waren und an deren Namen ich mich leider nicht mehr erinnern kann. Was ich aber noch weiß, war, dass sie uns viele tolle Fotos von ihrer Wanderung zeigten, und wir auch über die vielen Geschichten staunten, die sie zu ihnen erzählten. Die beiden Frauen begleiteten uns bis zur Kirche, wo wir uns trennten und die Kirche schließlich nur zu dritt betraten. Am Eingang mussten alle Touristen bezahlen, um in die wunderschöne Stabkirche Eintritt zu erhalten, doch wir brauchten nur unsere Pilgerpässe hoch zu halten und die Tür stand uns kostenlos offen. Stolz holten wir unsere roten Pässe aus den Rucksäcken und bekamen von dem Kirchenwächter, der ganz traditionell gekleidet war, sogar noch einen wirklich schönen Stempel. Und dann betraten wir die uralten Hallen der Ringebu Kirche, einer Kirche, die einen ganz wichtigen Punkt auf dem Pilgerweg darstellt, vor allem spirituell.

Die Ringebu-Kirche
Die Ringebu-Kirche

Ich sagte ja schon, dass die Ringebu Kirche eine Stabkirche sei. Von denen baute König Olav im Zeitraum von der Christianisierung bis zur Reformation ungefähr 1000 Stück in Norwegen, von denen heute aber nur noch etwa 30 stehen. Deshalb sind sie auch so besonders, denn es gibt sie tatsächlich nur noch in Norwegen.
Die Stabkirche in Ringebu wurde im Jahre 1220 errichtet und kann definitiv zu den schönsten am Olavsweg gezählt werden. Nun werdet ihr euch sicher schon gefragt haben, was eine Stabkirche überhaupt ist. Zu Beginn war die Bauform der Stabkirchen in Norwegen, Schweden und Dänemark verbreitet, doch während es in Norwegen noch einige Bauwerke dieser Art gibt, sind in den anderen beiden Verbreitungsländern keine mehr zu finden. Die Stäbe, die mit Säulen zu vergleichen sind, werden von Schwellen getragen, die wiederum von einer Grundmauer stabilisiert werden. Weil alle Holzteile verzapft sind, findet man keine Nägel. All das wird sowohl durch Andreas Kreuze als auch durch Rundbögen stabilisiert, die die Kirche schön und gewaltig wirken lassen, obgleich sie nicht so groß ist.

Der Innenraum der Ringebu-Kirche.
Der Innenraum der Ringebu-Kirche.

Als wir herein kamen, waren wir bis auf eine einsame Frau allein, die am Altar stand und wunderschön sang. Es herrschte eine wunderbare Stimmung und wir verweilten lange in den Bänken der Kirche und sprachen leise unsere Gebete, denn dies war einer der Orte, dessen spirituelle Kraft dich auf die Knie fallen lässt, um zu danken. Zu danken dafür, dass du leben darfst und, dass du all das erleben darfst, was du erleben darfst. Ich glaube in jenem Moment wäre es egal gewesen, ob ein Christ, ein Muslim, ein Jude oder ein Atheist die Kirche betreten hätten. Alle hätten sie jene Kraft gespürt und wären beeindruckt gewesen, welch Geist das Gotteshaus umhüllt. Später sahen wir noch alte Runen an einer der Kirchensäulen, die wohl einer der frühen Christen dort eingeritzt haben muss, weil er nichts von dem Latein verstand, dass der Priester vorne las.

Ratet mal wer vor der Kirche zusammen mit Ahrild wartete. Richtig Tiziana. Überglücklich begrüßten wir sie wieder und luden sie ein noch ein bisschen Mittagspause mit uns zu machen. Sie nahm das Angebot an und lachte wieder mit diesem typischen Italiener Lächeln, bei dessen Anblick man einfach mitlachen musste. Doch schnell war klar, dass sie nicht weiterlaufen, sondern sich hier eine schöne Herberge suchen würde. So kam der Abschied, doch wir wussten inzwischen, dass man sich wieder sehen würde, weshalb er nicht so schwer fiel wie sonst. See you tomorrow!, verabschiedete sich Tiziana und lachte, während Ahrild, Felix, Felicia und ich uns fertig für den nächsten Teil des Weges machten, doch wir sollten nicht lange laufen, denn schon bald erwartete uns das nächste Erlebnis.

Tatsächlich liefen wir nur wenige hundert Meter, bis wir in das kleine Dorf Ringebu kamen, wo wir nicht nur einen Supermarkt, sondern auch ein Fest vorfanden, wie wir es nicht erwartet hätten. Schnell war beschlossen, dass wir unbedingt eine nächste Pause machen mussten, denn wir wollten die Reise ja auch etwas genießen. So kam es, dass wir vier nur wenig später durch die kleine Standstraße liefen, die zwecks des Festes aufgebaut worden war. Was gefeiert wurde, haben wir bis heute nicht richtig verstanden, nur, dass es etwas mit Schriftstellern zu tun hatte, die sehr alt waren. In den Straßen aßen wir Zimtschnecken, Würstchen in Kartoffelbrot und trafen die Frau wieder, die uns das Mehl gegeben hatte und das Fest organisierte. Wir waren begeistert, als sie uns mitteilte, dass es in der ganzen Dorfmitte freies Wlan gäbe und ihr könnt mir glauben, dass der Nachrichtenregen an jenem Nachmittag nicht zu knapp ausgefallen ist.
Nach einer Stunde verließen wir Ringebu wieder mit vollem Magen und einer kleinen Tüte Biler. Dass sind kleine traditionelle Schwedische Gummibärchen in Autoform (Bil=Auto), die man unbedingt nach Deutschland exportieren sollte.


Und dann? Dann liefen wir bis zum Dale Gudbrants Gård einem weiteren wichtigen Punkt am Olavsweg, denn hier christianisierte der heilige Olav die wirklich sehr heidnischen Menschen des Gudbrants Tals, was noch heute als große Tat gilt. Auf dem Weg dorthin trafen wir Mariel wieder, die ganz zerstochen von Mücken dankbar für das Fenestil war, dass wir ihr gaben.

Im Pilgerzentrum in Hundrop gab es umsonst Kaffee für uns und auch über das Wlan freuten wir uns sehr. Einen weiteren Stempel später, verließen wir Hundrop und es folgte der schlimmste Anstieg der ganzen Pilgerreise. Steil ging es bergauf durch Matsch und überwucherte Wege. Stunden lang glaubten wir zu laufen und die Sonne brannte wie nie zuvor. Als wir aber die Spitze des Berges erklommen hatten, belohnte er uns mit einem fantastischen Ausblick. Hier oben stand eine Hütte auf einer großen Alm, die Pilgern Übernachtung bot und Mariel blieb dort, war sich aber sicher uns schon bald wieder zu sehen, denn wir liefen ja denselben Weg.

Wir aber liefen mit Ahrild weiter gen Nidaros immer weiter, bergauf und bergab. Es wurde 10 Uhr, es wurde 11 Uhr und wir immer müder. Schließlich, es war schon stock finster, beschlossen wir einen Zeltplatz zu suchen, denn es war inzwischen schon kurz vor 12 Uhr nachts und wir konnten nicht mehr. Eigentlich hatten wir ja beschlossen bis Kvam zu laufen, doch man überschätzt sich dann und wann. So stellten wir unser Zelt schließlich neben der Straße auf, auf der wir die ganze Zeit gelaufen waren und ich kochte eine schöne Tomatensuppe, während der Vollmond über uns stand, wie in einem Bilderbuch aus alter Zeit.
Es kam, dass der Samstag zu Ende ging, der Sonntag begann und wir gegen 1 Uhr schlafen gingen. Hundemüde und total fertig, ohne zu wissen was für einen tollen Menschen wir am nächsten Tag treffen würden. Doch von jenem möchte ich morgen erzählen, denn es ist wieder spät geworden und während ich hier noch über die Tage im Dalegudbrants Tal berichte, werden wir schon Morgen in Trondheim ankommen, doch ich will nicht spoilern und so sage ich viele Grüße aus Norwegen auch von Felicia und Felix,
Konrad

 

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Kommentare: 7
  • #1

    Gyburg (Dienstag, 18 August 2015 14:43)

    Es ist wirklich toll, was Ihr alles erlebt! Von Bil bis zu Stabkirchen, Menschen und Landschaft, Feste und Durststrecken! Konrad, du kannst das alles wunderbar beschreiben - und dieser Bericht wird dein ganzes Leben eine gute Erinnerung an eine beeindruckende Erfahrung bleiben. Gott segne weiterhin Euren Weg - und bringe Euch wieder gesund heim!

  • #2

    Ulla (Dienstag, 18 August 2015 15:13)

    Hallo Konrad,
    herzlichen Glückwunsch! heute habe ich von Dori erfahren, dass ihr in Trondheim ankommen werdet. Deine Tagebucheinträge sind richtig spannend und wir freuen uns alle riesig, dass ihr unbeschadet aber mit einem riesigen Erfahrungsschatz am Ziel seid. Wir wünschen euch noch einen wunderbaren Aufenthalt in Trondheim, genießt es!!!! Eure Ulla, Wolfgang, Frederik, Leonie und Josy

  • #3

    Moni (Mittwoch, 19 August 2015 09:33)

    Hallo Konrad, das Ankommens-Foto hat Doro mir gestern Abend geschickt. Ihr seht alle
    so glücklich aus und wir sind es auch, dass Ihr gut und gesund Euer Ziel erreicht habt.
    HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH. Ganz liebe Grüße an Felicia und Felix, fühl Dich ganz fest
    umarmt von Deinen Tanten
    Moni und Beate

  • #4

    Gaby (Mittwoch, 19 August 2015 13:00)

    Hallo Konrad,
    aus deinen , übrigens sehr anschaulich und spannend geschriebenen, Berichten kann man deutlich spüren, wie gut dir das Pilgern tut. Das freut mich sehr und ich beneide dich etwas um diese Erfahrung. Durch deine Berichte kann ich jedoch etwas daran teilhaben, wofür ich sehr dankbar bin.
    Mit erwartungsvoller Spannung auf die Fortsetzung grüßen dich von Herzen,

    Andreas, David und Gaby aus Usingen

  • #5

    Christoph (Donnerstag, 20 August 2015 11:02)

    Hi Konrad,

    super beeindruckende Berichte und Erfahrungen die du hier schilderst!
    Ich freue mich für dich, dass du derartige Erfahrungen erlebst und bin auf weitere Berichte sehr gespannt.

    Bis dahin. Beste Grüße Dein Cousin, Christoph

  • #6

    Gyburg (Donnerstag, 20 August 2015 11:32)

    Lieber Konrad,
    dein Bericht über das Pilgern kann doch nicht in der Nacht im Wald enden? Oder? :-)
    Herzliche Grüße - und noch eine schöne Zeit in Norwegen!
    Gyburg

  • #7

    Konrad (Donnerstag, 20 August 2015 19:37)

    Keine Sorge ich sitze drann.
    Ich genieße Trondheim nur total.
    Aber Morgen kommt ein echt langer Eintrag:)

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