Eine stürmische Nacht und neue Geschmackserlebnisse - Tag 29

Wir wollten am nächsten Tag nach Skaun laufen - 40 Kilometer. Wir wussten, dass das nicht einfach werden würde und beschlossen daher, am nächsten morgen früh aufzustehen. Früh bedeutete in diesem Fall sechs Uhr. Es muss neun Uhr gewesen sein als ich mich glücklich in meinen Schlafsack kuschelte, um der Kälte des Abends zu entfliehen. Denn wo es tagsüber noch unerträglich heiß war, war es in den späten Stunden wieder kühl und man brauchte einen Pullover, um die Kälte zu ertragen.
Als ich dann auf der Schlafbank lag und durch die Kopföffnung meines Schlafsackes zur Decke hinauf blickte, begann ich wieder an die vielen Dinge zu denken, die wir erlebt hatten und die, die wir in den nächsten Wochen noch erleben werden. Wisst ihr, abends bete ich eigentlich nie, zu müde bin ich dann meistens und denke auch nicht daran, doch in jener Holzhütte betete ich in den Abendstunden das erste Mal seit langem wieder und dankte für alles, was wir erleben durften, dürfen und dürfen werden. Ich war so unglaublich glücklich, dass ich merkte, wie ein sanftes Lächeln mein Gesicht zu zieren und mein Herz höher zu schlagen begann. „Danke. Danke für diese wunderbare Reise und die tollen Menschen, die wir treffen. Für die Natur, die mich immer wieder so liebsam in sich wiegt, für die Luft, die mich mein Asthma vergessen lässt und die Erfahrungen, die ich sammeln darf. Danke, danke, danke“, so sprach ich leise in mich hinein und war in Gedanken auch bei Felicia und Felix, die in jenem Moment sicher dasselbe bewegte. Ich schlief ein ohne jegliche Vorwarnung und entschwand in die wundersame Welt der Träume. Doch wachte ich nur wenige Stunden später, geweckt durch ein wildes Rauschen, wieder auf.

Verschlafen setzte ich mich auf, um festzustellen, dass Felicia und Felix auch noch wach waren und verzweifelt nach einer gemütlichen Position zum Schlafen suchten. Erst jetzt begriff ich, dass das wilde Rauschen von Wind verursacht wurde, der offenbar mit unschätzbarer Geschwindigkeit durch das kleine Holzhaus schoss und dabei einen Lärm von sich gab, der jeden Presslufthammer, in punkto Lautstärke, um Längen übertrumpfte.
Die Nacht war deshalb wirklich schwer und das Aufstehen am nächsten Morgen fiel uns deshalb auch umso schwerer. Doch trotz allem schafften wir es um 7 Uhr zurück auf dem Olavsweg zu sein und den Weg nach Skaun anzutreten.
In den ersten Stunden liefen wir durch schönste Natur und bei bestem Wetter in Richtung Løkken Verk. Einem kleinen Ort, in dem früher Bergbau betrieben wurde, und auf dessen Straßen jenes Handwerk definitiv viele Spuren hinterlassen hat. So standen vieler Orts große Statuen aus Bronze und Stein, die Bergarbeiter oder Loren darstellten.

Wir liefen bis zu dem Supermarkt von Løkken Verk, wo wir nach etwas zu Essen suchen wollten. Durch Zufall fanden wir dann genau das, was wir suchten. Es gab nämlich zu eben jenem Zeitpunkt zwei Tafeln der gelben Schokolade, die wahrlich die Beste von allen war, zum Preis von einer. Sofort kauften wir, was angeboten war und freuten uns tierisch darüber Schokolade zu deutschen Preisen bekommen zu haben. Obwohl ich im Nachhinein zugeben muss, dass man in Deutschland die Tafel Schokolade für dann doch noch weniger als 2,50€ bekommt. Aber für Norwegen war das ein Spottpreis. Gerade, wenn es um die gelbe Schokolade ging, deren richtigen Namen ich leider vergessen habe.
Nachdem die beiden Tafeln Schokolade genüsslich verspeist worden waren, verließen wir das Bergbaudorf und betraten, nach einigen Metern auf der Straße, dichten und dunklen Wald. Dunkel, obwohl die Sonne hoch am wolkenlosen Himmel stand, denn die dichten Blätter der Tannen und Fichten verschlossen den Wald mit einer grünen Decke und ließen ihn dunkel und mystisch wirken. Die einzigen Lichtblicke waren vereinzelte Lichtstrahlen, die das Blätterdach durchbrachen, wie die Blumen im Frühling die Erde, die durch Schnee und Eis im Winter hart geworden war.

Nur noch 61 Kilometer!
Nur noch 61 Kilometer!

Doch irgendwann hörte auch dieser Wald auf und wir liefen zurück auf weite Felder und grüne Auen. Immer weiter bergab und immer weiter vom Dovrefjell weg. Es vergingen Stunden und wir wanderten über wilde Hochmoore und erklommen immer wieder steile Höhen. Dann aber erreichten wir eine kleine Ortschaft, deren Namen ich immer noch nicht kenne und in deren Mitte ein riesiger Schornstein stand. Und vor diesem Schornstein stand ein Kilometerstein, den wir ganz unerwartet entdeckten und auf dem Worte standen, über die wir glücklich lächelten. „61 Kilometer til Nidaros“ war da in den grauen Stein eingraviert und wir konnten es noch gar nicht richtig fassen. Nur noch 61 Kilometer! Unglaublich.
Wir beschlossen Mittagspause zu halten, denn neben dem Schornstein stand nicht nur der ermutigende Kilometerstein, sondern auch eine Bank. Wäre aber diese Bank nicht gewesen, hätten wir es an jenem Tag vielleicht sogar nach Skaun geschafft, die folgenden Ereignisse jedoch verwehrten uns diese Ankunft. Doch lasst mich euch mehr darüber erzählen.

Während wir es uns richtig schmecken ließen kam hinter uns eine Gestalt mit Sonnenbrille und Wanderstöcken die Straße herauf. Ich musste zweimal hinschauen um zu begreifen wer da lief. Doch Felicia war schneller. „Hiromi!“, rief sie und sprang auf. Glücklich stand dann auch Felix auf, während die nette Japanerin uns schon zuwinkte.
Es war toll diese netten Menschen immer wieder zu treffen, dachte ich und merkte, dass es immer wieder Momente gab, in denen ich nicht mehr aus Norwegen weg wollte, sondern bei all den tollen Menschen bleiben wollte. Hiromi saß schon bald neben uns an dem Tisch und unsere Mittagspause wurde mal wieder länger als geplant. Hiromi erzählte, dass sie nur ein oder zwei Kilometer von hier schlafen wolle und schlug vor, das man doch fragen könne, ob es die Möglichkeit gäbe, vor der Herberge ein Zelt aufzuschlagen. Während ich gerne noch bis nach Skaun gelaufen wäre, waren Felicia und Felix von der Idee ganz begeistert und Demokratie ist eben Demokratie.
So liefen wir an jenem Tag wieder nur 21 Kilometer, wobei wir die letzten paar gemeinsam mit Hiromi liefen, die uns mit ihrer ständigen guten Laune immer wieder zum Lachen brachte. Diese positive Lebenseinstellung war mir durchweg sympathisch und ich beschloss etwas davon mitzunehmen und Hiromi gerade in diesem Punkt als Vorbild zu sehen.


Wir waren relativ schnell in Gumdal und ich muss im Nachhinein zugeben, dass es wirklich eine gute Entscheidung war nur bis Gumdal zu laufen, denn die kleine Herberge war wunderschön und hatte eine tolle Lage.

Doch bevor wir das feststellen durften kam zu einigen Komplikationen, denn der Besitzer der kleinen Herberge sträubte sich anfangs uns das Zelten zu erlauben, doch Hiromi überredete ihn kurzer Hand mit einigen Rhetorischen Tricks, woraufhin unser Zelt ziemlich bald schon vor dem Herbergshaus und einem wunderbaren Panorama stand, denn hinter dem Gumdal gård ging es steil bergab ins Tal und man hatte einen unbeschreiblichen Ausblick. Die Adjektive, die ich dazu aufzählen müsste würden gut und gerne eine Seite füllen, was für Adjektive ziemlich viel ist.
In den späten Abendstunden kehrten dann überraschend auch noch die beiden Italiener in Gumdal ein, die wir auf der langweiligen Straße getroffen hatten und so verbrachten wir einen wunderbaren Abend zusammen, an dem wir japanischen Eggcake aßen, der uns von Hiromi gemacht worden ist. Danach gingen wir schlafen und wir schliefen gut, denn das Zelt stand zum ersten Mal wieder gerade.


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Kommentare: 1
  • #1

    Gyburg (Mittwoch, 02 September 2015 13:48)

    Nur noch ein 61 km? Was lese ich denn, wenn Ihr angekommen seid? Plant ihr schon die nächste Pilgerfahrt? Canterbury? Santiago de Compostela? Görlitz?

    Herzliche Grüße
    Gyburg

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