Gekommen, um zu bleiben

Benedikt und Jonas (v.l.)
Benedikt und Jonas (v.l.)

Disse tyskerne! So schimpfte eine Frau am Tag meiner Ankunft über die deutschen Kreuzfahrttouristen, die mit mir an einem späten Sommerabend erstmals durch die bergensische Altstadt flanierten. Der Frau war klar, dass die meisten von ihnen bald wieder verschwunden sein würden. Doch ich hatte vor zu bleiben! 

 

Die nächsten 11 Monate ist die sicherlich schönste aller norwegischen Städten zu meiner Heimat geworden. Die meiste Zeit habe ich mit meinen Mitpraktikanten Benedikt und Johannes an unserer Einsatzstelle, dem St. Paul Gymnas, verbracht. Hier haben wir uns als Lehrer im Deutschunterricht versucht, Klausuren und Vertretungsstunden beaufsichtigt, ein Jahrbuch erstellt und vieles mehr. 

Plötzlich Lehrer

Kunst oder kann das weg?
Kunst oder kann das weg?

An der Schule war immer was los und wir haben geholfen, wo immer wir konnten. Angefangen mit der üblichen Arbeit eines Lehrers, bis hin zu einem Haufen Büro- und Planungsarbeit hinter den Kulissen. Die Deutschstunden waren immer sehr kurzweilig. Ähnlich kurzweilig wie das Interesse mancher Schüler an der deutschen Sprach- und Kulturwelt. Mit individuellen Anekdoten, viel gutem Zuspruch und vergleichbaren Erfahrungen aus der eigenen Schulzeit konnten wir jedoch hoffentlich die Grammatikübungen ein wenig erträglicher machen. Zudem war der Deutschunterricht in der Anfangszeit auch für uns eine gute Gelegenheit, langsam die norwegische Sprache zu erlernen. In unserem eigenen Praktikantenbüro liefen immer die Rechner heiß. Neben der Arbeit am Jahrbuch haben wir Sammelklausuren vorbereitet, Klassenreisen geplant und organisiert, Gottesdienste und Programmhefte gestaltet und eine Vielzahl an Sekretärs-Aufgaben verrichtet. Gelegentlich musste zudem die Rezeption besetzt werden. 

 

Ein guter Ausgleich war das Handballtraining mit den Sportklassen der Schule. Hier konnten wir mehrmals wöchentlich unserem gemeinsamen Lieblingsport nachgehen und uns entsprechend verausgaben. Angeleitet wurden wir dabei sogar von einer ehemaligen Nationalspielerin!

Einmal bitte die Rechnung

Die herausforderndste Aufgabe war jedoch die uns anvertraute Buchhaltung des Klosters. Mit wenig Vorwissen von Buchungskonten, dem Führen eines Kassenbuches oder norwegischer Finanzkultur habe ich mich am Anfang hoffnungsvoll auf diese Puzzle-Arbeit eingelassen. Dabei ging die Aufgabe weit über das Sortieren von Quittungen hinaus. Oftmals hat es lange gedauert, sich die Sinnhaftigkeit zwischen scheinbar willkürlichen Zusammenhängen zu erschließen. Um so erfreulicher war es, wenn die Zahlen am Ende dann doch gepasst haben und das Puzzle gelöst werden konnte. Finanzprüfer möchte ich nicht werden… 

Kan du snakker norsk?

Viel Durchhaltevermögen brauchten wir auch für unseren Sprachkurs. Dieser fand während den Kursphasen zweimal wöchentlich am Abend statt, was die Tage recht lang gemacht hat. Grundsätzlich hatte ich aber viel Spaß daran, eine neue Sprache zu erlernen und die neu erworbenen Sprachkenntnisse direkt im Alltag testen zu können. 

 

Doch was wir schnell feststellen mussten: Norwegisch ist nicht gleich Norwegisch! Zwei Schriftsprachen und eine Vielzahl an regionalen Dialekten ohne einer einheitlichen allgemein anerkannten Variante bieten viele Möglichkeiten für Unklarheiten. 

 

Ein weiterer Höhepunkt für mich war die Outdoor Schule der St. Paul Grundschule. Abwechselnd mit meinen Mitpraktikanten haben wir Klassen auf die umliegenden Berge begleitet, wo immer ein Lagerfeuer entfacht und ein wenig Naturkunde gelehrt wurde. 

 

Ähnlich aktiv wurde es auch immer dann, wenn Paul, der "vaktmeister", uns zu sich rief, um ihn bei seinen Hausmeistertätigkeiten zu unterstützen. Während unserer gemeinsamen Zeit ist er uns wirklich ans Herz gewachsen! 

Auf Klassenfahrt

lourdes
lourdes

Einige der von uns geplanten Klassenreisen durften wir glücklicherweise auch selbst begleiten. So konnten ich mir das norwegische Parlament in Oslo anschauen, anderthalb Wochen in einer Jugendherberge in Strandebarm verbringen und einige andere abgelegenere Orte in Norwegen besuchen. Außerdem sind wir im Frühling mit mehreren Schülergruppen zum französischen Wallfahrtsort Lourdes gereist. Dort haben wir in einem Krankenhaus gearbeitet und Maltesergruppen aus aller Welt getroffen. 

 

Besonders wertgeschätzt habe ich die tolle Gesellschaft meiner Mitpraktikanten und das enge Verhältnis zu den Praktikanten aus Trondheim. Mit Benjamin und Ben haben wir zeitweise zusammen gewohnt und bei besonderen Anlässen zusammen gearbeitet. Am ersten Adventswochenende haben wir gemeinsam die Schule weihnachtlich dekoriert, gemeinsam Schülergruppen auf besagten Klassenreisen betreut oder zuletzt bei einer Priesterweihe in Trondheim mitgeholfen. 

 

Auch in unserer Freizeit war ich gerne sportlich aktiv. Zusammen mit Benedikt habe ich mich einem Sportverein angeschlossen, in dem wir noch mehr Handball spielen konnten. Außerdem gab es jede Woche die Möglichkeit, mit und gegen einige Lehrer Fußball zu spielen. Am Wochenende haben wir meist zu dritt in der umliegenden Natur Wanderungen und Ausflüge unternommen. 

 

Mehrfach waren wir außerdem in den Schulferien mit den Trondheimer-Praktikanten unterwegs. Auf diesen Reisen haben wir immer viel erlebt und erkundet und sind natürlich unserem Faible für Kartenspiele nachgegangen. 

Erinnerung fürs Leben

Ich durfte ein Weihnachtsfest im Ausland zusammen mit vielen Praktikanten feiern, den Nationalfeiertag Norwegens erleben und konnte tolle Reisen unternehmen. Doch rückblickend werden mir nicht nur die großen Meilensteine in Erinnerung bleiben. All diese Erfahrungen haben mich ebenso geprägt, wie die alltäglichen Momente und Begegnungen.

 

Das Erleben von kulturellen Unterschieden und Gemeinsamkeiten sind allesamt wertvolle Erfahrungen, die man kaum auf andere Art spüren kann. Daher bin ich froh und dankbar, in Bergen ein Jahr lang eine fantastische Praktikumsstelle gehabt zu haben!

 

… Zumindest werde ich in Norwegen jetzt nicht mehr so schnell mit den deutschen Kreuzfahrttouristen verwechselt. 

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