Das schönste Jahr meines Lebens

Sophia vor der Kirche in Seydisfjördur in Ostisland
Sophia vor der Kirche in Seydisfjördur in Ostisland

Zwei Wochen ist es nun schon her, dass ich aus dem wunderschönen Island zurück nach Deutschland geflogen bin. So richtig begriffen habe ich es aber immer noch nicht.  Erst einmal war alles etwas überfordernd: eine andere Währung, eine andere Zeit und vor allem ganz andere Temperaturen. Als ich in Düsseldorf bei 30 Grad und Sonne aus dem Flieger gestiegen bin, habe ich direkt angefangen, die angenehmen isländischen 18 Grad zu vermissen. Trotzdem war es schön wieder zuhause zu sein und meine Familie und Freunde endlich wiederzusehen. Gleichzeitig vermisse ich jetzt schon die Schwestern, die Natur und die vielen großartigen Leute, die ich im Laufe meines Jahres kennenlernen durfte.  

Aufregung im Ungewissen

Schwester Rita und ich
Schwester Rita und ich

Im Laufe meines Jahres in Akureyri hat sich innerhalb meiner Einsatzstelle viel verändert. Zu Beginn habe ich fleißig in der Kita der Schwestern geholfen und die Kinder in ihrem Alltag betreut. Im Oktober wurde diese dann leider geschlossen und veränderte so nicht nur meinen Alltag, sondern auch den der Schwestern. Die nächsten zwei Monate waren geprägt von Chaos und Ahnungslosigkeit.

Während ich langsam im Altenheim eingearbeitet wurde, mussten sich die Schwestern ebenfalls erst einmal neu sortieren, denn nach fast 20 Jahren war auf einmal alles weg, für das sie so lange gekämpft hatten.

 

Langsam, aber sicher schafften wir es aber irgendwie trotzdem einen neuen Alltag zu erschaffen. So half ich jeden Morgen für zwei Stunden bei den Schwestern und ging anschließend für drei Stunden ins Altenheim. Dort half ich in der Tagespflege, machte mit den Alten Entspannungstherapie und unterstützte einen amerikanischen Senior (James) in seinem Alltag. 

Ein neuer Freund

James beim traditionellen „Þorrablót“ essen
James beim traditionellen „Þorrablót“ essen

Die Arbeit im Altenheim war sehr bereichernd und hat mir vor allem die isländische Kultur nähergebracht. So habe ich mit den Bewohnern traditionelle Gebäcke gebacken, Nationalspeisen, wie zum Beispiel fermentierten Hai probiert oder isländische Tänze gelernt.  

Trotzdem konnte sie manchmal sehr frustrierend sein, denn genau die isländische Spontanität, die ich gerade bei Reisen gelernt habe wertzuschätzen, machte die Arbeit sehr anstrengend. Oft gab es keinen vernünftigen Arbeitsplan oder ich stand vor verschlossenen Türen, weil mal wieder vergessen wurde mit mir zu kommunizieren. Doch egal wie frustrierend die Arbeit sein konnte und wie oft ich manchmal das Gefühl hatte von den Mitarbeitern nicht wertgeschätzt zu werden, die Senioren selbst haben mich immer wieder zum Lachen gebracht und mir gezeigt, dass sie sich freuen, dass ich da bin. Gerade beim Abschied habe ich gemerkt, wie sehr sie mir ans Herz gewachsen sind und wie dankbar ich für die Erfahrungen bin. Besonders zu einem habe ich eine sehr emotionale Bindung aufgebaut: James. 

 

Wenn mir jemand zu Beginn meines Jahres gesagt hätte, dass ein 75-jähriger Opa mein bester Freund werden würde, hätte ich wahrscheinlich nur gelacht. Aber in James habe ich wirklich einen guten Freund gefunden und wir haben uns gegenseitig durch viele schwierige Schicksalsmomente begleitet. Auch jetzt stehe ich noch weiterhin mit ihm in regem Kontakt, er ist wie ein Ersatz-Opa für mich geworden. Insgesamt war sowohl die Arbeit in der Kita, als auch die Arbeit im Altenheim sehr prägend. Ich durfte viele Menschen bei ihren ersten und letzten Schritten begleiten. 

Ein bisschen wie Familie

Das Leben in der Gemeinschaft bei den Schwestern, war sehr schön. Der Alltag war geprägt von lautem Lachen, vielen Witzen aber auch mal kleinen Streitereien. Ein bisschen wie in einer ganz normalen Familie. Gerade wenn die beiden Priester zum Mittagessen oder Frühstück bei uns waren, ging es immer sehr lustig zu und es wurde viel gelacht.  

Ganz Nordisland in einer Gemeinde

Doch nicht nur die Gemeinschaft der Schwestern war sehr schön, sondern auch die Kirchengemeinde. Mit etwa 500 Mitgliedern ist die Gemeinde St. Petur Akureyri relativ groß. Die Gemeinde umfasst hierbei jedoch nicht nur Akureyri selbst, sondern ganz Nordisland. Da die Distanzen zwischen den verschiedenen Orten doch recht groß sind, findet der Kommunionunterricht für einige Gemeinden beispielsweise online statt. Um für die kleineren Orte außerhalb Akureyris auch einen Gottesdienst anzubieten, fährt der Priester gemeinsam mit einer Schwester jeden Sonntag in einen anderen Ort und hält dort einen Gottesdienst ab. So kann es beispielsweise auch mal sein, dass sie fast drei Stunden Fahrtzeit auf sich nehmen müssen, um zum nächsten Ort zu kommen.  

 

Beim wöchentlichen Kirchenkaffe hat man die Möglichkeit viele verschiedene Menschen aus aller Welt zu treffen. Der Großteil der Gemeinde ist zwar polnisch oder philippinisch, aber auch Australier über Italiener oder Brasilianer sind dabei. Hier habe ich viele sehr nette Menschen kennengelernt.  

Neues Hobby: Erkunden

Im Laufe meines Jahres habe ich einen Großteil meiner Freizeit damit verbracht das Land zu erkunden. Gemeinsam mit Freunden oder den Schwestern konnte ich die unglaubliche Natur Islands kennenlernen. Und obwohl ich sehr viel gereist bin und versucht habe möglichst viel zu erkunden gibt es immer noch so viel mehr zu entdecken. An jeder Ecke wartet ein Wasserfall, ein Vulkan oder ein wunderschöner Ausblick. Egal wie viele Stunden ich an den verschiedensten Orten verbracht habe, ich habe immer das Gefühl, mich lange noch nicht sattgesehen zu haben. Ich kann stolz von mir behaupten, dass ich die Insel erfolgreich umrundet habe und viele Ecken sogar mehrfach gesehen habe.  

Nordisland bleibt aber natürlich am schönsten! 

Eine Sache, die ich durch die ganzen Reisen auf jeden Fall von mir behaupten kann, ist, dass ich eine bessere Autofahrerin geworden bin. Ob bei Schnee, Nebel oder über ungepflasterte Straßen bei Sturm und 13 Grad Steigung war alles dabei. Gerade im Winter war jede Fahrt ein Abenteuer! 

 

In der ersten Juniwoche machte ich mich gemeinsam mit einer Freundin auf den Weg in die Westfjorde um anschließend Island einmal zu umrunden. Leider wurden wir von einem arktischen Sturm überrascht, so dass wir einige Tage in Reykjavik festsaßen, da in Akureyri wieder fünf Zentimeter Schnee lagen und alle Straßen aufgrund der starken Windböen gesperrt waren.  

 

Lustigerweise waren parallel dazu gerade die Bergen-Jungs in Reykjavik zu Besuch, sodass wir noch einen schönen gemeinsam Abend mit Mitternachtssonne und leckerem Essen verbringen konnten. Island hat immer eine Überraschung auf Lager! 

Momente der Freiheit

Eins meiner persönlichen Highlights war jedoch ein Ausflug auf die kleine Insel Hrisey mit den Schwestern. Am Nationalfeiertag packten Schwester Selestina, Schwester Marcelina und ich unsere Sachen und fuhren spontan mit der Fähre nach Hrisey. Bei blauem Himmel und Sonnenschein bin ich gemeinsam mit Schwester Marcelina einige Stunden über die Insel gewandert und im Anschluss haben wir alle gemeinsam am Ufer gegessen und einfach den Ausblick genossen. In solchen Momenten fühlt es sich an, als wären einfach alles frei an und der ganze Stress des Alltags rückt in den Hintergrund. Ein weiterer Grund, warum ich mich in Island verliebt habe.  

Ein Abschied von einem Herzensort

Zu meinem Abschied hat mir Ute (eine Deutsche aus dem Altenheim) gesagt, dass ich in meinem einem Jahr hier mehr erlebt hätte als sie in den letzten 60 Jahren. Und damit hat sie gar nicht so unrecht, denn während meines Aufenthalts auf Islands durfte ich fünf Vulkanausbrüche miterleben, viele starke Schneestürme, den meisten Schnee der letzten zwei Jahrzehnte und den längsten Winter seit langem.  

 

Für mich ist Island auf jeden Fall zu einem Herzensort geworden und ich werde definitiv wiederkommen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich durch das Praktikum im Norden die Möglichkeit bekommen habe, so viele großartige Erlebnisse sammeln zu dürfen! 

 

 

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