
Berget ist ein Ort der Stille. "I stillheten blir du stark" (In der Stille wirst du stark), das Motto der Gemeinschaft. Still mag es sein, ruhig war es allerdings erstmal nicht, denn in meiner zweiten Woche überschlugen sich die Ereignisse hier in Berget nur so! „Es wartet viel Arbeit auf uns! Alles muss vorbereitet sein! Der Kardinal kommt!" Das sagte der Chefkoch zu mir, als ich zu meiner Mittagsschicht in der Küche erschien und ich konnte gar nicht glauben, dass gleich zu Beginn meiner Zeit hier so ein Ereignis ins Haus steht!
Das Retreat war natürlich ausgebucht und so musste viel gekocht, geputzt und vorbereitet werden. Trotzdem war immer genug Zeit für mich, die katholischen Messen zu besuchen, denen Kardinal Anders in den drei Tagen seines Besuches als Hauptzelebrant vorstand. Ebenso zu Gast war Charles Talley, katholischer Pfarrer auf Gotland, der ebenfalls neben dem Kardinal und Pater Peder aus Berget die Messe zelebrierte. Da war volles Haus in der kleinen St. Dominicus Kapelle!
Spannende Unterhaltungen

Da Kardinal Anders schon 2020 mit der Nordischen Bischofskonferenz in meiner Heimatkirche zu Gast gewesen war, wusste ich, dass er ganz hervorragend Deutsch spricht und die Chance habe ich dann natürlich genutzt, um mich auch ein bisschen auf Deutsch mit ihm zu unterhalten - und noch ein „Beweisfoto“ für meinen Blogeintrag abzustauben, was er sehr gerne möglich gemacht hat. Er ist wirklich ein unglaublich netter und offener Mensch, der immer ein Schmunzeln auf den Lippen hat. Es war mir eine Ehre, ihn mal wieder zu treffen! Auch mit Charles Talley hatte ich ein nettes Gespräch nach der Messe, in dem er mir erzählte, dass er aus Kalifornien stammt und jetzt auf Gotland Pfarrer ist – wohin er mich auch ganz herzlich eingeladen hat. Mal sehen, wann sich das mal ergibt. Lust hätte ich auf jeden Fall, seine kleine katholische Gemeinde kennenzulernen! (Übrigens habe ich vorher seine ganze, schwedische Predigt verstanden und war da schon ein bisschen stolz auf mich!)
In der Küche herrschte natürlich immer reges Treiben bei so vielen Gästen. Trotzdem hat die Arbeit immer Spaß gemacht und manchmal kann man dann auch von den Vorbereitungen für die Nachmittags-Fika (Tee- und Kaffeezeit) profitieren. Anders hat herrlichen Karottenkuchen gebacken und – pssst! - ich durfte ganz viel naschen. Das Rezept brauche ich unbedingt!!
Midsommar!

Dann reiste Kardinal Anders wieder ab und es war dann doch schön, dass es in Berget wieder etwas ruhiger wurde – so viele Leute auf einen Haufen bin ich schon nach eineinhalb Wochen hier nicht mehr gewohnt! Aaaber es sollte gar nicht lange dauern, da war ich schon wieder von vielen – und dieses Mal waren es hunderte – Menschen umgeben. Als ich nach Schweden gereist bin, war mir tatsächlich gar nicht klar, dass ich am größten Fest in Schweden anwesend sein würde: dem Midsommar-Fest! Diese Erkenntnis kam erst, als ich mit ein paar Mitvolontären sprach und sie mir den Flyer für die große Feier in Rättviks Gammelgård zeigten. Ich wollte Kristina dann fragen, ob es möglich wäre, an diesem Tag die Frühschicht zu arbeiten, damit ich mir abends die Midsommar-Feier ansehen kann. Aber wie selbstverständlich sagte sie zu mir, dass sie mir an diesem Tag sowieso freigegeben habe. Wie lieb!! Und so konnten zwei weitere Freiwillige und ich uns am Freitagnachmittag auf den Weg machen – auf dem schönen Spaziergang nach Rättvik knüpften wir uns natürlich traditionelle Blumenkränze, aßen einen Becher mit wirklich sehr leckerem "Rättviks Glass" (Rättviks Eis), während der Festzug an uns vorbeizog, und liefen dann am Ufer des in der Sonne funkelnden Siljan Richtung Festwiese.
Wir hatten wirklich Glück mit dem Wetter – hatte es doch die letzten Jahre immer geregnet, wie mir gesagt wurde. So konnten wir unter blauem Himmel zusehen, wie der Mittsommerbaum aufgestellt wurde, während von in Trachten gekleideten Fiedlern traditionelle Geigenmusik gespielt wurde.
Wie in den Filmen von Astrid Lindgren

Als er endlich stand, wurde kräftig getanzt! Und dann saßen wir noch lange auf der Wiese, mit einer Limonade in der Hand, unterm Mittsommerbaum in der Sonne. Ich muss in einen Film von Astrid Lindgren gepurzelt sein, kam mir der Gedanke und ich kam aus dem Grinsen gar nicht mehr so recht raus. Als wir dann später wieder in Berget ankamen, empfing uns der Koch Anders in der Küche und schlug vor, dass wir das verpasste Abendessen nachholen. So stibitzten wir uns dann die traditionellen Festtagsspeisen aus dem Kühlschrank und ließen uns Sill, Lachs, Eier und Kartoffeln schmecken, bevor wir noch zur kleinen Midsommarfeier des Husfolk (wörtlich übersetzt Hausvolk, also Mitarbeiter und Freiwillige) gingen, die im Garten von Ingrids, Margaretas und Kristinas Häuschen stattfand. Da gab es noch Erdbeertorte, Chips und Limonade und nette Gespräche und obwohl ich ein oder zweimal eine Mücke habe vorbeifliegen sehen, kann ich vermelden, ohne Stich davongekommen zu sein!

Als ich dann irgendwann in meinem Zimmer ankam und meinen Blumenkranz abnahm, konnte ich noch gar nicht richtig begreifen, was ich alles erlebt hatte! Um ehrlich zu sein, kann ich das immer noch nicht so wirklich. Aber ein Blick ins Regal zu meinem zum Trocknen aufbewahrten Blumenkranz erinnert mich dann: Es war wirklich ein gelebter Midsommarnachtstraum!