
Nun ist es schon zwei Monate her, dass ich in Kopenhagen angekommen bin, doch für mich fühlt es sich nicht mehr als einer an. Wenn ich jedoch darauf zurückblicke, was ich schon alles erlebt habe, wirken die 6 Wochen doch langsam realistischer.
Da mein Mitfreiwilliger und Freund Dominik, der in Oslo arbeitet, auch aus meiner Heimatstadt kommt, sind wir eine lange Strecke zusammen in seinem Auto gefahren. Wir starteten am 2. September. Nach 7 Stunden Autofahrt setzte er mich dann 17:30 Uhr in Kolding in Dänemark ab und fuhr weiter nach Frederikshavn, von wo er schließlich die Fähre nach Oslo nehmen wollte. Für mich ging es ab Kolding also allein weiter.
Wer mit viel Gepäck reist
Leider wurde die Reise ab diesem Zeitpunkt auch deutlich gestresster, da ich nun mein ganzes Gepäck allein tragen musste. Vielleicht hatte ich zu viel mitgenommen, aber dabei hatte ich zu Hause schon einige Sachen aussortiert, die ich eigentlich noch mitnehmen wollte. Denn allein der Weg vom Parkplatz des Bahnhofs in Kolding bis hin zum richtigen Gleis durch einen Tunnel war ein K(r)ampf. Das baldige Umsteigen in Fredericia in den richtigen Zug nach Kopenhagen war dann leider genauso, doch zum Glück fand ich zwei nette Personen auf dem Bahngleis, die mir beim Einsteigen in den Zug mit hohen Treppen halfen.
Nachdem auch das geschafft war, hieß es erst einmal entspannen und ich konnte auf der Fahrt die schöne Landschaft Dänemarks genießen. Zum Glück war es noch etwas hell, sodass ich auch noch bei der Überfahrt der Brücke nach Seeland genug sehen konnte. Nach zweieinhalb Stunden traf ich dann aber endlich bei Dunkelheit im Hauptbahnhof Kopenhagens ein, wo mich Ditte, meine Chefin bei der Caritas, abholte, da mein Mentor noch im Urlaub auf den Faröer Inseln war. Sie rechnete nicht damit, dass ich so viel Gepäck dabei hatte und wollte eigentlich die Metro nehmen, um mich zu meinem Dormitory zu bringen, als sie jedoch sah, wie viel Gepäck ich dabei hatte, bestellte sie uns ein Taxi, dass sie mir netterweise auch bezahlte. So kamen wir also kurz nach halb 10 am Dormitory an, wo mir schließlich meine Mitbewohnerin und Hostin des Dormitorys alles zeigte.
Das Leben im Wohnheim
Ich wohne in einem katholischen Dormitory/Wohnheim in Østerbro direkt am Fælledparken mit zwei Etagen, das von Jesuiten geführt wird. Die Etagen liegen aber deutlich auseinander. Ich wohne in der unteren Kelleretage mit 8 Mitbewohnern aus Ungarn, Spanien, Portugal und Brasilien, die unter dem katholischen Niels Stensen Gymnasium liegt, was mir leider auch etwas zum Verhängnis wird. (gleich mehr dazu) Die zweite Etage befindet sich nämlich über dem Niels Steensen Gymnasium, sodass man 2 Minuten lang um die Kirche laufen muss, um zu ihr zu kommen.
Neben einem für ein Wohnheim sehr schönen großen Wohnzimmer und einer großen Küche, die wir Mitbewohner uns teilen, habe ich ein kleines Zimmer abseits mit eigenem Bad, worüber ich sehr froh bin. Denn drei Zimmer haben kein eigenes Bad und müssen sich ein Gemeinschaftsbad teilen. Normalerweise haben die Freiwilligen des Bonifatiuswerkes nicht immer ein Zimmer mit Bad, wie mir gesagt wurde, doch ich habe dieses Jahr wie auch schon meine Vorgängerin Glück.
Eine große Gemeinschaft
Womit ich allerdings kein Glück habe ist, dass sich genau über mir ein Klassenzimmer befindet und es ab 7:50 Uhr sehr laut wird, sodass man nicht mehr schlafen kann. Das regt mich besonders am Mittwoch auf, meinem freien Tag, an dem ich lange ausschlafen könnte. Luxusprobleme, über die man sich nicht aufregen müsste, ich weiß, aber schließlich bin ich begeisterter Langschläfer. Dem Lärmpegel zu urteilen nach, müsste es sich bei den Kindern über mir maximal um Drittklässler handeln, auch wenn die Schule hier erst ab Klasse 6 startet. Bisher fühle ich mich aber bis auf besagtes Problem sehr wohl und verstehe mich mit meinen Mitbewohnern auch sehr gut.
Einmal im Monat treffen sich alle Bewohner, die bis auf mich fast alle studieren, in meiner Etage zu einem gemeinsamen Dorm-Dinner. Da kochen wir alle zusammen und essen schließlich auch alle gemeinsam. Mittlerweile bin ich auch dabei, meine Backkünste zu entdecken und habe schon dreimal selber Brötchen gebacken sowie zweimal Brot, wobei mich mein ungarischer Mitbewohner angeleitet hat, der deutlich erfahrener in diesem Gebiet ist als ich, der kompletter Beginner darin ist. Da ich gerne spät zu Abend esse und nicht wie der typische Deutsche schon um 6 Uhr Nahrung zu mir nehme, treffe ich meine Mitbewohner auch noch nach halb 10 in der Küche. Wenn ich allerdings nach 24 Uhr beginne zu kochen, werde auch selbst ich von den Spaniern oder Portugiesen komisch angeschaut.
Arbeit bei der Caritas
Anders als meine Vorgänger arbeite ich nicht in einer der katholischen Schulen in Kopenhagen, sondern bei der Caritas im Zentrum Kopenhagens. Meine Arbeitsstellen sind das Caritas Hauptquartier der Caritas Danmark sowie das Migrantenhaus der Caritas direkt am Hauptbahnhof. Beide Stellen liegen ungefähr 7 Minuten zu Fuß voneinander entfernt und mit dem Fahrrad brauche ich etwa 20 Minuten von zu Hause bis zu ihnen. An nicht regnerischen Tagen fahre ich also Fahrrad, da mein Weg zur Arbeit auch sehr schön ist und an den vier Seen in Kopenhagen vorbeiführt. (Ich darf netterweise das Fahrrad meines Mentors Niels benutzen, sodass ich mir keins kaufen musste.)
Das Fahrradfahren genieße ich hier sehr, besonders auf Fahrradwegen, die teils 3 Meter breit sind. Denn das bin ich aus meiner Heimat absolut nicht gewöhnt. Da überall Fahrradwege sind, kommt man auch sehr schnell durch die Stadt, oft schneller als mit dem Auto. Sonst kann ich die Metro nehmen, mit der ich tatsächlich aber mehr Zeit benötige. Da ich zwei Tage in der Woche im Sekretariat der Caritas arbeite und zwei-drei Tage im Migrantenhaus, sind meine Arbeitsstunden unterschiedlich. Mittwochs habe ich aber frei, damit ich samstags zwei Stunden im Migrantenhaus arbeiten kann, wenn noch Hilfe benötigt wird.
Im Sekretariat bestehen meine Aufgaben daraus, einfache praktische Aufgaben zu erledigen, sodass sich die Kollegen um ihre eigentliche Arbeit kümmern können. Kaffee kochen, Küche putzen, Müll rausbringen, Einkaufen gehen für Projekte, kaputte Lampen austauschen, Pfand wegbringen etc. Am Donnerstag muss ich jedoch jede Woche das Frühstück um 10 Uhr vorbereiten, bei dem sich alle Kollegen treffen, um zusammen zu frühstücken und anschließend neue Themen der Woche auszutauschen. Da das einige Personen sind, vielleicht 20, muss ich vorher einen Großeinkauf im Lidl tätigen, bei der besonders die dortige Brotschneidemaschine mein Freund geworden ist.
Im Migrantenhaus lief es für mich die ersten Wochen sehr entspannt ab, bis die Chefin dort aufgehört hat. Nun muss ich mich mit Ditte um das ganze Migrantenhaus und seine Projekte und besonders das Booking System kümmern, sodass ich deutlich mehr Aufgaben habe als am Anfang. Auch dort muss ich die typischen praktischen Aufgaben erledigen, aber auch Kleidung sortieren, wenn wir welche gespendet bekommen, oder einfach Host sein, wenn zum Beispiel Psychologen oder Anwälte mit ihren Klienten sprechen.
Außerdem bekommen wir jeden Freitag von der "Foodbank" eine Lebensmittel-Lieferung, die wir anschließend in Beutel aufteilen, sodass sie am Samstag von bedürftigen Menschen kostenlos abgeholt werden kann. (Da muss ich am Samstag ab und zu aushelfen.) Da dort aber auch einiges an Lebensmitteln übrig bleibt oder nicht abgeholt wird und es sich bei den Lebensmitteln hauptsächlich um Ware handelt, die bald abläuft, bleibt auch mir der ein oder andere Gang zum Supermarkt erspart. Auch meine Mitbewohner freuen sich natürlich über gratis Essen.
Sprache
Für mich hat es am Anfang etwas gedauert, in das dauerhafte Englisch sprechen reinzukommen, aber nach ein paar Tagen gewöhnte man sich schon daran. Zum Glück kann hier fast jeder perfekt Englisch sprechen, sodass Kommunikation kein Problem darstellt. Denn meine Dänisch-Kenntnisse sind leider erst auf einem doch recht geringen Level, trotz 240 Tage Streak in Duolingo (no flex). Nach langem Warten habe ich letzte Woche endlich meine CPR-Nummer, die hier für fast alles essenziell ist, erhalten und kann nun hoffentlich bald meinen Dänisch-Sprachkurs starten.
Freizeit
In der Freizeit bin ich besonders am Anfang in der dritten Woche viel mit meinen Mitbewohnern in Museen gegangen, da für junge Leute im Alter von 18 bis 35 Jahren die "K7" stattfand, die uns den Zugang zu zahlreichen kulturellen Events wie Museums- oder Theaterbesuchen kostenlos ermöglichte. So besuchte ich also zum Beispiel das Designmuseum, das Museum der dänischen Architektur, die Glyptothek (eine Ausstellung für Antike Skulpturen) oder auch ein Konzert in der Frederiks-Kirche. Besonders in den ersten Tagen habe ich aber noch das schöne Wetter genossen und bin allein oder mit meinen Mitbewohnern bei 26 Grad Celsius an verschiedenen Stellen baden gegangen.
Inzwischen bin ich auch zweimal dazugekommen, das Roundnettraining des Roundnet Klubs Kopenhagen im Fælledparken zu besuchen. Da der Park direkt vor meiner Haustür liegt und ich so einen kurzen Weg hatte, bin ich nun etwas traurig, dass die Outdoorsaison nun endet, da ich nun weit wegfahren muss, um zum Training in der Halle zu kommen. Außerdem schaue ich noch mit einem anderen Deutschen, den ich beim Roundnet kennengelernt habe nach einem Volleyballverein.
Cayac-Community
Da das katholische Wohnheim, indem ich lebe, eng in die CAYAC Community (eine katholische Studentengemeinde) eingebunden ist, gehe ich auch regelmäßig mit meinen Mitbewohnern am Sonntag um 6 Uhr in die CAYAC Messe in der Kirche fast direkt über uns. Drei meiner Mitbewohner sind Admins in der CAYAC Community und auch wir als unterer Stock/Keller des Wohnheims sind in das Vorbereiten des Kirchencafés nach dem Gottesdienst (tea and cookies) fest mit eingebunden. Jedes Semester macht CAYAC einen Ausflug, an dem ich vor zwei Wochen auch teilnahm.
Das Land und die Leute kennenlernen

Ein Wochenende waren wir ungefähr eine halbe Autostunde entfernt von Kopenhagen im Kloster Aasebakken und in seiner schönen Umgebung. Dort haben wir uns erstmal alle kennengelernt, da viele neue Studenten diesmal auch dabei waren und neben Bibelgruppen auch viele Spiele gespielt, Anbetungen in der Kapelle gehalten und mit den Schwestern Messen gefeiert wurden.
Wir hatten sehr Glück mit dem Wetter, sodass wir am Samstag auch fast den ganzen Tag draußen verbrachten. Ein Geländespiel und ein paar Workshops und den Tag konnten wir dann schön mit einem Musikabend abschließen, den meine spanischen und italienischen Mitbewohner mit der Gitarre gestalteten. (Schaut gerne auf Instagram bei cayac.dk für ein paar mehr Eindrücke.) Sonst habe ich auch viel Zeit damit verbracht, mit dem Fahrrad nach der Arbeit und am Wochenende die Stadt und besonders deren Parks zu erkunden.
Bisher habe ich zwar noch keines der vielen dänischen Kaffees oder Bäckereien ausprobiert, aber dafür habe ich schließlich noch genug Zeit. Mittlerweile kann ich sagen, dass ich mich gut eingelebt habe und sich langsam ein gewohnter Alltag einstellt. Ich freue mich sehr auf die kommenden nächsten Monate. :)