In Norwegen scheint die Ernsthaftigkeit der Lage schnell angekommen zu sein. Großveranstaltungen wurden abgesagt und schon ein paar Tage vor Deutschland hat die norwegische Regierung beschlossen, alle Schulen zu schließen. Nach und nach wurden auch Kultureinrichtungen, viele Restaurants, Fitnessstudios und Schwimmbäder geschlossen. Von nicht dringend notwendigen Reisen wird abgeraten und Reisende, die wieder zurückkommen, müssen in Quarantäne, wie in vielen anderen Ländern.
Auch hier gibt es immer wieder Aufrufe, auf dem Balkon zu klatschen um den Menschen, die das Land in Gang halten (Busfahrer*innen, Ärzte*innen, Verkäufer*innen…) zu danken und natürlich überall der Aufruf:
Hold avstand! Hold deg hjemme! ("Halte Abstand! Bleib zu Hause!")
Die katholische Schule ist geschlossen, das Pfarrbüro auch und die Arbeit bei der Norwegischen Katholischen Jugend ist eingeschränkt. So fallen Tätigkeiten weg, die ich sehr gerne gemacht habe. Ich vermisse natürlich die Schüler und die Kollegen und Kolleginnen an meinen bisherigen Arbeitsstätten.
Stattdessen arbeiten wir Freiwillige jetzt im Kloster verstärkt bei der Vorbereitung der Mahlzeiten und bei der Hausreinigung. Im Sta. Katarinahjemmet herrscht eine besondere Situation durch die vielen Menschen, die hier wohnen und die Gefährdung der teilweise schon älteren Schwestern. Alle müssen jetzt sehr vorsichtig sein und die neuen Regeln, so unbequem sie auch sein mögen, befolgen: So darf man beispielsweise beim Essen nicht mehr direkt nebeneinander sitzen. Trotzdem sitzen wir, im wahrsten Sinne des Wortes, aufeinander.
Da die Universitäten geschlossen haben und man das Haus so wenig wie möglich verlassen soll, sind die meisten Studentinnen fast immer zu Hause, was den schönen Nebeneffekt hat, dass wir jetzt oft zusammen Filme schauen oder Brettspiele spielen. Das "Aufeinandersitzen" erreichte jedoch eine neue Dramaturgie, als eine der Studentinnen, die Kontakt mit einem Infizierten hatte, auch selbst Symptome zeigte. Daraufhin mussten wir alle in Quarantäne und durften solange, bis die Testergebnisse vorlagen, das Haus gar nicht mehr verlassen. Die fünf Tage fühlten sich an wie fünf Wochen und die Nerven lagen blank. Glücklicherweise wurde die Studentin jedoch negativ auf das Virus getestet und auch allen anderen geht es gut.
Selbstverständlich schränkt Corona auch mich sehr ein. Ich kann auch privat keine Freunde treffen und nicht in Cafés gehen - im Moment ist quasi kein normales Leben möglich. Die Situation, in der sich die ganze Welt gerade befindet, ist bedrohlich und macht auch mir manchmal Sorgen, aber vor allem nervt es, so eingeschränkt zu sein und auch nicht zu wissen, wann das alles ein Ende haben wird. Trotz all dieser negativen Gedanken, hat das Virus auch etwas Gutes: Ich lerne dankbar zu sein und auch die kleinen Dinge wertzuschätzen. Ich freue mich sehr, wenn morgens die Sonne in mein Zimmer scheint oder wenn es Pfannkuchen zum Mittagessen gibt. Aber auch meine allgemeine Situation gibt mir sehr viel Grund, dankbar zu sein: Zum Beispiel in einem Land zu leben, wo sich das Virus vergleichsweise langsam ausbreitet, wo Maßnahmen getroffen werden und das Gesundheitssystem stabil ist, oder dass ich, im Gegensatz zu vielen meiner Freunde, an meinem Einsatzort bleiben kann und darf.