Radio Rättvik - Oder: Vom Leben in einer Community

Michael blickt auf drei Monate in Rättvik zurück. (Foto: Monika Hemming)
Michael blickt auf drei Monate in Rättvik zurück. (Foto: Monika Hemming)

Das Leben besteht voller Unregelmäßigkeiten. Oder genauer gesagt: Es besteht aus regelmäßigen Unterbrechungen des Normalen. Du stehst wartend an der Bushaltestelle. Der Bus, den du erwartest, fährt zielstrebig an dir vorbei und hält unangenehme zehn Meter weit entfernt. Er hätte genau vor dir stehen bleiben können, hat er aber nicht. Du beginnst zu verstehen und du beginnst zu laufen. 

Das Leben ist voll von solchen Momenten, die nicht einer gewissen absurden Schönheit entbehren. Oder vielleicht müsste man besser sagen, das Leben sind diese Momente: Stete Unterbrechung des Normalen; absurde Schönheit; in Wirklichkeit schon zehn Meter weiter.

Drei Monate Rättvik

Eine Unterbrechung des Normalen, die sich in meinem Leben ereignet hat, war meine dreimonatige Zeit im Stiftelsen Berget in dem kleinen schwedischen Städtchen Rättvik. Diese Zeit war gewiss viel intensiver, als es noch die fieseste Bushaltestelle hätte sein können. Aber sie war auch schöner. Und dieser Abschlussbericht soll ein Versuch sein, eine Schlaufe um diese Erfahrung zu machen und bündig zusammenzufassen. Man sollte denken, nach einem dreimonatigen Aufenthalt wäre das ein Leichtes. Aber erst jetzt, einige Tage, nachdem ich zurück in Deutschland bin, entsteht ein wenig Klarheit bei mir darüber, was ich die letzten Wochen alles erlebt habe. Und so langsam komme ich dazu, zu sortieren, was gut und was vielleicht weniger gut war.

Das Stiftelsen Berget

Im Stiftelsen Berget lebt eine Community, deren Mitglieder sich berufen fühlen, dort zu wohnen, zu arbeiten und Gäste aufzunehmen. Wer dort Gast ist, darf auf eine Vielzahl von Kursen und Meditationsangeboten, auf Stille und Natur und selbstverständlich auch auf gutes Essen hoffen. Übrigens ist das Angebot, das dort bereitgestellt wird, wesentlich vielseitiger als "nur" das Einkehren in Stille, über das ich ja schon einmal geschrieben hatte. Und wer dort VolontärIn ist - also auch wir, die PraktikantInnen des Bonifatiuswerkes - ist eingeladen, dieses Leben für einige Monate zu teilen und aktiv mitzugestalten.

Jeden Tag neue Herausforderungen

Was bedeutet es, so ein Leben in einer Community zu teilen? In aller Offenheit möchte ich zunächst einmal sagen, dass das kein Klacks ist. Oder in den Worten von Kristina, meiner Mentorin vor Ort: "Life tends to be quite intense here". Man sollte sich von der idyllisch ruhigen Lage Bergets nicht täuschen lassen: Jeden Tag findet man sich vor eine neue Herausforderung gestellt. Dazu gehört das Schwedisch-Lernen ebenso, wie die Untiefen des Kochens für viele Menschen. Auch der recht rigide strukturierte Tagesablauf oder der Umstand, dass es an vielen Orten kein WLAN gibt, kann schon mal zu Frust führen. Und ein ganz wichtiger Punkt: Das Verhältnis von Nähe und Distanz ist beträchtlich verschoben. Mit 12 Menschen sieben Tage die Woche zusammenzuleben bedeutet, dass man praktisch nie Zeit für sich hat.

Festessen am einem stillen Ort

Verstrahlt: Ein Blick auf den St:Davidsgården auf Berget im winterlichen Sonnenuntergang.
Verstrahlt: Ein Blick auf den St:Davidsgården auf Berget im winterlichen Sonnenuntergang.

All das gesagt: Wer sich nun Berget als ein Sammelsurium verschwiegener Waldschrate vorstellt, könnte nicht falscher liegen. Der Brauch, auf den die Menschen dort am meisten stolz sind, ist nicht das Schweigen oder die Natur oder die Spiritualität: Es sind die Festessen. Keine Mühe wird gescheut, um an diesen ausgewählten Tagen, an denen beispielsweise jemand Geburtstag hat, die Festtafel im St:Davidsgården noch etwas strahlender glänzen zu lassen. Und die ohnehin schon gut aufgestellte Küche legt sich noch einmal ein kleines bisschen mehr ins Zeug. Die Menschen in Berget sind durch und durch lebensfroh! Von der Linguistin bis zur ehemaligen Geschäftsführerin eines Bootsbedarfs, vom ehemaligen Sportredakteur bis zum Karmelitermönch, der in Belgien Philosophie studierte: Wer hier lebt hat eine Geschichte.

Radio Rättvik

Um es also noch einmal in aller Drastik auf den Punkt zu bringen: Meine Erfahrung in Berget genieße ich mit äußerster Vorsicht und gleichzeitig war sie wohl das Spannendste und Vielseitigste, was ich je erlebt habe. Meine Mitpraktikantin, Monika, und ich haben recht lange überlegt, wie sich diese Dynamik, die man dort erlebt, möglichst griffig auf eine Phrase, eine sprachliche Formel übertragen lässt. Heraus kam das Radio Rättvik, das nicht nur eine lustig klingende Alliteration ist, sondern auch wie ein kleines Sinnbild des Gefühls, wie es ist, in Rättvik zu leben. Schon etwas abgeschieden in der Countryside Schwedens und doch nach allen Seiten offen; allein, wie zwei RadiomoderatorInnnen und doch mit allen unseren MitpraktikantInnen in Kontakt und verbunden: still und dennoch auf Sendung.

Tätigkeiten im Rättvik

Sarah, Fabia, Monika und Achim (v.l.) am Naturum Dalarna, dem Besucherzentrum des Naturschutzgebietes Siljansnäs.
Sarah, Fabia, Monika und Achim (v.l.) am Naturum Dalarna, dem Besucherzentrum des Naturschutzgebietes Siljansnäs.

Die Tätigkeiten, die mein Praktikum also ausgemacht haben, lauten wie folgt: Kochen, Schwedisch lernen, Blogeinträge für das Bonifatiuswerk schreiben und schließlich Radio Rättvik. Schon früh hatten Monika und ich beschlossen, dass das unsere Zeit in Rättvik maßgeblich mitbestimmen  würde: nicht nur so gut wie möglich für unsere Einsatzstelle da zu sein, sondern uns auch für unsere MitpraktikantInnen zumindest ein bisschen ins Zeug zu legen. Und das Resultat davon war, dass wir drei Gruppen aus Schweden und sogar eine aus Lettland begrüßen durften. Für diese war dann von selbstgebackenem Brot über eine durch die Community angeleitete Meditations-Session bis hin zu einer Stadtführung durch Rättvik ein regelrechtes kleines Erlebnis-Programm geboten. Eine zentrale Rolle spielte dabei natürlich auch die Hauptattraktion Bergets -die Stille - vorzustellen und zu erfahren.

Radio Rättvik - Bushaltestelle Berget?

Ein letzter Blick auf den siebtgrößten See Schwedens, der Siljan, an einem sonnigen Wintertag – Schön wars, findet Michael.
Ein letzter Blick auf den siebtgrößten See Schwedens, der Siljan, an einem sonnigen Wintertag – Schön wars, findet Michael.

Wenn es stimmt, dass das Leben immer nicht ganz dort zum Stehen kommt, wo man es vielleicht erwarten würde, dann stehen meine drei Monate in Schweden dafür als Paradebeispiel. Ich blicke zurück auf viele tolle Tage inmitten der schwedischen Natur und auf viele Freundschaften, die ich schließen durfte. Und ich blicke auf so viele neue Dinge, die ich – manchmal gerne, manchmal auch nolens volens – lernen und wieder entdecken durfte: Zu kochen, Brot zu backen, eine ganz neue Sprache zu lernen, um nur einige davon zu nennen. Aber ich blicke auch zurück auf eine Zeit, die ich ein Stück weit zu meiner eigenen machen konnte, die ich selbst als "Radio Rättvik" prägen konnte. Dafür bin ich dankbar.

Michael Goldhammer

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