Nach meinem Abitur hatte ich schon immer den Wunsch für ein Jahr ins Ausland zu gehen, am liebsten in den hohen Norden, da mich dieser schon immer sehr interessiert hat. Durch Zufall stieß ich schließlich auf das Bonifatiuswerk, welches mir ein zehnmonatiges „Praktikum im Norden“ in zwei Einrichtungen in Schweden ermöglicht hat.
Im September 2016 startete ich dann auch direkt in Vadstena, einem kleinen Ort in Schweden, der am Vätternsee liegt.
Die beliebte "Toilettenrunde"
Der Ort ist vor allem durch das Wirken der heiligen Birgitta bekannt und stellt somit einen wichtigen Wallfahrtsort in Schweden dar. Als Praktikant wird man im dortigen Gästehaus eingesetzt, welches von einem Kloster betrieben wird. In dem Kloster lebt ein Konvent von acht Birgittaschwestern, welche alle Praktikanten und Volontäre sehr herzlich empfangen und sofort in ihr Herz schließen, sodass man sich von Anfang an sehr wohl fühlt.
Die Hauptaufgabe als Praktikant in Vadstena liegt in der Mithilfe im Gästehaus. Hierzu gehört vor allem das Vorbereiten des täglichen Frühstücks für die Gäste, das Herrichten der 22 Gästezimmer im Haus oder alle anderen Aufgaben, die im Laufe der Zeit in einem solchen Haus so anfallen. Besonders beliebt, so komisch es auch klingen mag, ist bei den Volontären meist die sogenannte „Toilettenrunde“, bei der jeden Tag alle 14 Toiletten und Duschen im Haus geputzt werden. Neben der „Toilettenrunde“ war auch der wöchentliche Kirchenputz eine besondere ungewohnte Aufgabe, die am Ende zur Selbstverständlichkeit wurde.
Einer der wichtigsten Dinge in Vadstena war die tägliche „Fika“ (Kaffeepause) um 10 Uhr morgens. Wenn man Schwester Monika „Kaffeeeeee…“ durch das ganze Haus rufen hörte, wussten alle Volontäre und Mitarbeiter sofort Bescheid und versammelten sich im Speisesaal, um sich dort bei meistens reichlich Kaffee und Kuchen über die neusten Dinge auszutauschen.
Ein Gefühl von "Familie"
Neben der Arbeit im Gästehaus blieb immer Zeit um den wunderschönen Ort Vadstena, durch zahlreiche Spaziergänge oder Fahrradtouren zu erkunden. Jeder Sonnenuntergang über dem Vättern zeigte andere Facetten, sodass man sich fast jeden Tag die Zeit nahm, um diesen zu bestaunen. Zudem traf man durch die Arbeit im Gästehaus viele neue Menschen und Volontäre, die durch ganz unterschiedliche Gründe den Weg nach Vadstena gefunden hatten. Durch diese unterschiedlichen Geschichten wurde die Arbeit immer wieder aufs Neue bereichert und es wurde einem bewusst, wie wichtig die Arbeit und somit die Unterstützung der Schwestern ist, damit diese in Vadstena einen Ort für jeden schaffen können, der eine Auszeit braucht.
Die katholische Gemeinde in Vadstena würde ich als eine Gemeinschaft bezeichnen, die wie eine große Familie funktioniert. Jeder unterstützt jeden in jeder Situation und jeden Sonntag trifft sich die „Familie“ nach der Messe beim Kirchenkaffee und unterhält sich bei Kaffee und Kuchen. Dieses Gefühl der „Familie“ wurde mir besonders an Weihnachten deutlich. Nach der feierlichen Christmette hat sich die gesamte Gemeinde umarmt und sich „God Jul“ („Frohe Weihnachten“) gewünscht, dies hat mich sehr beeindruckt, da ich sowas in meiner Kirchengemeinde in Deutschland nie erlebt hätte.
Im Januar 2017 wechselte ich dann an meine zweite Praktikumsstelle in Uppsala. Die viertgrößte Stadt Schwedens ist vor allem als Studentenstadt bekannt und ist durch die gute Anbindung an Stockholm bei den Schweden sehr beliebt. In Uppsala war ich an drei unterschiedlichen Stellen tätig. Zum einen war dies der „Erikshjälpen-Second-Hand-Shop“. Das Besondere an dieser Boutique ist es, dass fast der gesamte Erlös an Hilfsprojekte für Kinder gespendet wird. Dies wird durch über 80 Volontäre, aus allen sozialen Gruppen der schwedischen Bevölkerung, ermöglicht, die ehrenamtlich in ihrer Freizeit in der Boutique arbeiten. Die Arbeit in der Boutique besteht an sogenannten „Lagertagen“ (die Boutique ist für Kunden geschlossen) besonders darin die Regale wieder mit neuer Ware zu bestücken und an den „Öffnungstagen“ in der Betreuung der Kunden. Ich habe oft in der Textilabteilung oder im Café gearbeitet und hatte besonders im Café die Möglichkeit meine schwedischen Sprachkenntnisse stetig zu verbessern und mit vielen Kunden in Kontakt zu kommen.
Meine zweite Arbeitsstelle war das „Newmaninstitut“. Hierbei handelt es sich um die einzige katholische Hochschule in ganz Skandinavien. Hier habe ich das Café für die Mitarbeiter betreut und organisierte mit meinen Mitpraktikanten große Veranstaltungen, wie zum Beispiel das Semesterabschlussfest oder den Besuch von 24 Generalvikaren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Einblick ins Gemeindeleben
Bei meiner dritten Einsatzstelle handelte es sich um die katholische Kirchengemeinde St. Lars in Uppsala. Diese Gemeinde ist eine sehr junge und dynamische Gemeinde, die etwa 3000 Mitglieder hat, die aus 80 verschiedenen Nationen stammen, was das Gemeindeleben sehr prägt. In der Gemeinde betreute ich gemeinsam mit einer Ordensschwester die offene Vorschule, bei der Eltern die Möglichkeit hatten sich untereinander auszutauschen während wir die Kinder betreuten. Zudem half ich bei dem wöchentlichen Katechetenunterricht, welcher in Schweden sehr wichtig ist, da die Kinder keinen Religionsunterricht in der Schule erhalten. Dieser Unterricht hat mich sehr beeindruckt, weil die Kinder mit großer Begeisterung etwas über ihren Glauben lernen wollten, ohne dass sie es als einen Zwang empfanden an ihrem Wochenende erneut zu lernen. Der wöchentliche Sonntagsgottesdienst hat mir ebenfalls stark gezeigt, dass eine große Glaubensgemeinschaft vorhanden ist. Die Kirche war jeden Sonntag bis auf den letzten Platz besetzt und alle waren bei der Messe mit voller Aufmerksamkeit und Energie dabei. Durch die Diasporasituation in Schweden mussten die Gemeindemitglieder oft weite Strecken überwinden, um an den Gottesdiensten teilnehmen zu können. Dies stellte für die meisten allerdings kein Hindernis dar, da es für sie ganz selbstverständlich war ihren Glauben in der Gemeinschaft zu leben. Dies war eine ganz neue Erfahrung für mich, da es Zuhause ganz selbstverständlich ist, dass fast jeder katholisch ist und jeder noch so kleine Ort eine katholische Kirche besitzt.
Rückblickend auf das Jahr gesehen kann ich nur allen Menschen danken, die mir dieses Jahr ermöglicht haben. Ich habe viele Menschen getroffen, die zu sehr guten Freunden geworden sind und gleichzeitig viele Erfahrungen gemacht, die ich definitiv nicht mehr in meinem Leben missen möchte. Zudem habe ich in Schweden Orte gefunden, die zu einem zweiten Zuhause geworden sind und mich sicherlich nicht zum letzten Mal gesehen haben.
"Vi ses!"